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Karriereanker ist der Name für ein von Edgar Schein erfundenes Konzept und Tool, das weltweit in der Karriereberatung angewandt wird. Seine Langzeitstudien an Karrieren von Managern in den 80er und 90er Jahren ergaben, dass Menschen in den ersten Berufsjahren, wenn sie mit den Realitäten des Berufslebens und der Organisationen konfrontiert sind, lernen, was ihre Motive (Was treibt mich an?), ihre Fähigkeiten und Kompetenzen (Was kann ich gut?) und ihre Werte (Was ist mir wichtig?) sind. „ You begin to have a sense of what is ’you‘ and what is noch ‚you‘.“Daraus entsteht ein „Selbstkonzept“, das mehr und mehr die Funktion eines Steuerungssystems, er nennt es “a guidance system“ für Entscheidungen über ihren beruflichen Weg übernimmt. „The career anchor, as defined here, is that one element in a person’s self-concept that he or she will not give up, even in the face of difficult choices.” (Schein 2013, 9).
Englische Bezeichnungen aus Schein et al. 2023, deutsche aus Schein 1992.
Mehr zu den acht Karriereankern, ihren Kombinationsmöglichkeiten und ihrer Anwendung in der Praxis der Triadischen Karriereberatung® finden Sie auf meiner anderen Website im Menüpunkt
"Triadische Karriereberatung" in "Forschungsergebnisse zu karrieresteuernden Werten"
Karriereanker
und in meinem Buch Triadische Karriereberatung
Die Gliederung dieser Seite:
- Karriereanker oder Triebkraft?
- Merkmale von Entdeckerkarrieren
- Maximen für eine erfolgreiche Entdeckerkarriere
- Verwendete Literatur
Karriereanker oder Triebkraft?
Im Rahmen meiner Habilitation habe ich eine umfassende Analyse der acht von Schein gefundenen Anker und seines Konzepts durchgeführt. Eines der Ergebnisse meiner empirischen Forschung war die Hypothese, dass es noch einen oder zwei weitere Anker gibt, die Edgar Schein aufgrund seines Samples - er hat Manager untersucht - nicht hat finden können, einen Künstleranker und einen Entdeckeranker. Diese Hypothese war der Anlass, ein Projekt zur Erforschung und Beschreibung der beiden Karriereankern zu beginnen. Schein selbst hielt es für möglich weitere Karriereanker zu finden, wie er mir 2010 in einem Gespräch sagte, wenn man bei diesen Gruppen ein anderes Motiv fände.
Schein hat eine Karrieretheorie entwickelt, die wie im Zitat oben nachzulesen ist, die Karriere mit dem Eintritt in das Berufsleben und eine Organisation beginnen lässt, damit sind sowohl Institutionen als auch Unternehmen gemeint. Bei Entdeckern beginnt ihre Karriere in der Regel im Alter von fünf Jahren und wird auch nie eine organisationsbezogene.
Ein nach eigener Erfahrung häufiger Anlass für Karriereberatungen ist, dass Berufstätige in den vierziger Jahren feststellen, dass eine Karriere in Organisationen für sie nicht das richtige ist. Je länger sie warten, durchhalten und an diesem Karriereweg festhalten, desto schwieriger wird das Umsteuern, zum Beispiel in die Selbstständigkeit. Es gibt also nicht nur Entdecker und Künstler, die sich nicht an Karrierepfaden in Organisationen orientieren mögen, sondern auch Unternehmer und Selbstständige.
Man kann weder Scheins drei Typen von Karriereverläufen in Organisationen - wie im Abschnitt Karrieren jenseits von Laufbahn und Beruf beschrieben - für die hier untersuchte Gruppe verwenden, noch das Verfahren zur Erhebung von Karriereankern.
Künstler konnten den Fragebogen zur Erhebung der Anker nur zu zwei Dritteln ausfüllen und bemerkten dazu, dass sie sich hierin nicht wiederfinden könnten. Bei Entdeckern habe ich es aus unterschiedlichen Gründen noch nicht versucht, bin aber sicher, dass es zum gleichen Ergebnis führen wird. Hingegen ist meiner Erfahrung nach die Arbeit mit den Karriereankern für die Karriereberatung mit Menschen, die in Organisationen arbeiten, ein hervorragendes Tool.
Anker sind nicht nur, wie Edgar Schein schreibt, ein Konglomerat aus Motiven, Fähigkeiten und Werten der Person, das ist eine Prämierung einer der drei Generaldimensionen der Persönlichkeit, des komplexen Organismus, nicht der Lebensgeschichte und der Triebkräfte. Anker haben aber eben auch eine energetische Komponente, nicht nur eine strukturelle Dimension oder eine historische. Die Abbildung der Persönlihckeitstriade finde Sie auf der Seite
Die Persönlichkeit von Entdeckern
Und es fehlt der selbst gesetzte Sinn, der zur Triebkraft wird! Motiv im engeren psychologischen Sinne erscheint mir, verglichen mit einer autonomen Sinnsetzung, die zur Triebkraft wird, eher schwach.
Statt von Karriereankern von Entdeckern oder Künstlern spreche ich jetzt deshalb lieber von Triebkräften ihrer Karrieren. Die Bezeichnung Entdeckeranker, die ich lange verwendet habe, belasse ich den älteren Texten, korrekt wäre die "Triebkraft Entdecken".
Ein weiterer Unterschied zu Edgar Scheins Vorgehen ist, dass man m.E. mit drei Ankern arbeiten muss, mit Ankerkombinationen, nicht nur mit einem einzelnen Anker. In den Fallstudien habe ich Kombinationen der Triebkraft Entdecken oder Kunst machen zu müssen mit den Karriereankern „Selbständigkeit und Unabhängigkeit“ und „Totaler Herausforderung“ oder „Challenge and Risk“, wie er ihn jetzt umbenannt hat, gefunden (Schein 2023, 48). Das sind zwei der acht Karriereanker, die offenbar einen größeren Geltungsbereich als z.B. „Sicherheit und Beständigkeit“ haben, und auch bei Entdeckern und Künstlern vorkommen.
Konsequenzen
Entdecken wollen und müssen ist eine Triebkraft, die sich schon vor Beginn der Schulzeit zeigt und verschiedene Ausprägungen hat, je nach Objekt der Entdeckung: Neue wissenschaftliche Erkenntnisse zu generieren, Unentdecktes in unserem Kosmos oder in sich zu als Mensch als Teil des Kosmos zu entdecken, Erfindungen zu machen oder Kunstwerke zu schaffen. Die Entdeckerkarrieren beginnen in der Kindheit! Für diesen Typus von Karrieren braucht man eine Theorie, die die Persönlichkeit und ihre Biographie in den Mittelpunkt stellt, nicht die Organisationen und die Wege der Menschen darin.
Ob es einen Künstleranker gibt oder geben sollte, ist für mich derzeit fraglich. Feststellen kann man, dass nicht alle Künstler den Entdeckeranker haben und dass ihre Karrieren von der Triebkraft Kunst machen zu müssen ihre Energie und ihren Sinn bekommen. Bisher gibt es in dem Sample der acht Anker keinen professionsbezogenen, lediglich der Anker „General Management“ weist auf eine besondere Eignung für die Management-Profession hin.
Die Bestimmung des Geltungsbereichs der Schein‘schen Karrieretheorien lässt mich im Moment daran zweifeln, dass es Sinn macht eine Triebkraft, die einem ganz anderen Typus angehört, zum Anker zu machen und diesem Tool hinzuzufügen.
Merkmale von Entdeckerkarrieren
Um Entdeckerkarrieren zu charakterisieren und Maximen für deren optimale Steuerung daraus zu entwickeln, kann man die noch mal überarbeiteten 16 Merkmale der Karrieren von Entdeckerkarrieren nutzen.
Ihre Karriere beginnt im Kindesalter. Der Antrieb zu entdecken ist früh da, wirkmächtig und mit viel Energie ausgestattet. Angeregt und angezogen durch eigene Talente oder durch Dinge (Artefakte) oder Ereignisse in ihrer Umwelt entsteht in ihnen eine Faszination, die die Energie liefert, eine ausgeprägte eigene Vorstellungswelt zu entwickeln, in der Ideen für das, was es zu entdecken gilt entstehen kann.
Sie erkennen früh, dass der Sinn ihres Tuns, nämlich zu entdecken, ihr Lebenssinn ist, dass entdecken wollen also zur Triebkraft ihrer Karriere wird, die schon hier beginnt.Sie zeichnen sich schon früh durch einen großen Arbeitseifer aus, der für ihre Umwelt teilweise besorgniserregend ist. Sie arbeiten dabei nicht von anderen vorgegebene Aufgaben ab, sondern schaffen sich ihr eigenes Curriculum, unabhängig von dem der Schule oder des Studiums, und sie haben dabei große Freude am selbstbestimmten Lernen und am Umsetzen.
Darüber hinaus ist bei ihnen ein ausgeprägtes und für die Entdeckung nötiges und einschlägiges Talent vorhanden, das ihnen die Arbeit leicht macht.
Kommen sie aus sozialen oder familiären Verhältnissen, in denen dieses Talent nicht relevant ist oder nicht erkannt wird, oder ihre Triebkraft entdecken zu wollen nicht verstanden oder akzeptiert wird, braucht es Menschen, die sie fördern.Entdeckungen zu machen ist das Karriereziel von Entdeckern. Sie streben keine vorgebende Karriere an und folgen den Karrierepfaden in Institutionen oder Organisationen nicht. Sie erschaffen sich ihre eigene Karriere, ihren eigenen "Karrierepfad", also eine individuumzentrierte Karriere.
Das Primat des Entdeckens: Sie nehmen kaum oder sogar keine Rücksicht auf ihre Familie, Freunde und sich selbst, alles wird dem Entdecken untergeordnet und muss dahinter zurücktreten. Die Vereinbarkeit von Privatleben und Entdecken gelingt, wenn das private Umfeld die fundamentale Bedeutung des Entdeckens für den Entdecker versteht, akzeptiert und ihn unterstützt.
Entdecker wollen und müssen im Einklang mit dem sein, was sie entdecken wollen. Sie erleben oft einen Flow, wenn sie mit ihrer Entdeckung beschäftigt sind, sie sind beglückt und voll Energie und Freude, wenn sie an der Entdeckung arbeiten. Alles andere, selbst wenn es für die Entdeckungspraxis notwendig ist, erleben sie nicht als "richtige Arbeit", sondern als störend.
Entdecker können keine Aufträge von anderen annehmen und ausführen, sie können nur ihren eigenen Ideen und Vorstellungen folgen und sich auf einen ergebnisoffenen Prozess des Entdeckens einlassen. Sie sind ihre eigenen Auftraggeber, sie folgen dem selbst gesetzten Sinn ihres Arbeitens und Lebens.
Ihre Idee und Entdeckerpraxis stellt Grundannahmen des Fachs oder mehrerer Fächer, der wissenschaftlichen Disziplin, der Profession radikal infrage. Die Idee ist wirklich innovativ und der Entdecker wird von der jeweiligen Community als rebellisch erlebt.
Die Grenzen von Fächern/Disziplinen/Professionen und Berufen werden nicht akzeptiert, sondern überschritten, die Erkenntnisse der einen mit denen der anderen verbunden, zu etwas Neuem synthetisiert, in eigene Entdeckungspraxis eingeordnet und immer weiter optimiert. Entdecker suchen Ihre Anregungen in Konzeptionen, Theorien, Praktiken anderer Fächer, Disziplinen, Berufen, Professionen und bei deren Vertretern; Wissenschaftler z.B. arbeiten interdisziplinär und transdisziplinär.
Bestehende Institutionen und Organisationen, die auf Bewahren setzen und sich Entdeckungen und Innovationen gegenüber ablehnend verhalten, fördern diese Menschen nicht. Sie unterstützten meist nicht die an radikalen Innovationen, sondern eher die an Karriere in diesen Institutionen oder im Berufsfeld orientierte Menschen. Sie grenzen Entdecker aus, weil die ihre Regeln nicht achten, nicht befolgen können und wollen, weil sie radikale Innovationen anstreben, die die bestehenden Grundannahmen, Axiome und Praktiken infrage stellen (vgl. Punkte 3., 6., 7., 8.).
Umgekehrt lehnen die Entdecker auf Bewahrung ausgerichtete Institutionen und Organisationen ab, weil sie sie an der Erreichung ihres Karriereziels hindern (3., 6., 7.). Organisationale Strukturen und Prozesse zu bedienen oder sich von Führungskräften führen zu lassen, hält sie von der Arbeit an ihrer Entdeckung ab. Die Schaffung von eigenen optimalen Rahmenbedingungen für die Arbeit an der Entdeckung z.B. durch die Begründung von Selbständigkeit ist wichtiger als Karrierepfaden von Organisationen oder Professionen zu folgen und die damit verbundenen Belohnungen wie Status, Geld, Macht und Zugehörigkeit zu Organisationen zu bekommen. Sie können sich nur selbst dadurch belohnen, dass sie beim Entdecken Erfolge haben.
Entdecker suchen oft lange oder immer wieder nach einer geeigneten Funktion/Position in oder am Rande von Organisationen.
Wenn sie Glück haben, finden sie Positionen mit einer Aufgabe, die nah an ihrer Entdeckung liegt, oder Positionen, die ihnen Zeiten, Räume und Ressourcen dafür bereitstellt und sie in Ruhe arbeiten lässt. Oder sie finden Menschen in etablierten Organisationen, die das Talent und die Bedeutung der Idee erkennen und den Mut haben das Risiko einzugehen, solchen 'Orchideen' eine Chance zu geben und dies offensiv in der Organisation zu vertreten.
Max Planck z.B. gab dem völlig unbekannten Albert Einstein eine solche Chance, er sorgte für eine Veröffentlichung der Theorie und dafür, dass er einen Lehrstuhl bekam. Oft sind die fördernden Organisationen fachfremde oder nicht im eigenen Land zu finden, bei Stefan Hell z.B. eine Hochschule in Finnland, bei Rolf Stiefel eine Hochschule in Kanada.
Aus diesem Grunde machen sich Entdecker oft selbstständig, Hell z.B. als „freier Erfinder“, Nicola Tesla als Unternehmer, oder schaffen eigene Medien zur Veröffentlichung und Verbreitung ihrer Ideen, z.B. Alexander von Humboldt mit dem dreibändigen "Kosmos", Rolf Stiefel mit der "Zeitschrift für Managementandragogik", Michael Giesecke mit seinen zahlreichen Webseiten.Entdecker haben zeitweise oder beständig Probleme, ihre finanzielle Basis herzustellen und zu sichern. Manchmal finden sie 'Mäzene', die sie fördern, wie im 10. Punkt beschrieben. Häufig ist die eigene Familie, die sich nicht wie die etablierten Institutionen von Innovationen bedroht fühlt, der Mäzen.
Im besten Fall liegt ihr das Glück des Entdeckers am Herzen und sie ermöglicht es ihm seiner Berufung zu folgen. Humboldt setzte sein beträchtliches Erbe ein, um seine Reisen, seine Entdeckungen und deren Veröffentlichung zu finanzieren.
Oder Entdecker machen wenig geliebte Auftragsarbeiten, um damit Freiräume und Ressourcen für Ihre Entdeckung zu finanzieren, z.B. machen Künstler zur Not ungeliebte Auftragskunst, um Zeit und Geld für freie Kunst zu haben. Manche Entdecker nehmen Kredite auf oder schränken sich ein und opfern alles der Entdeckung, oder aber sie finden Menschen in etablierten Organisationen, die ihnen eine Chance zu geben.Finden Entdecker Auftraggeber für ihre Entdeckung, so ist und bleibt die Beziehung zwischen dem Entdecker als Auftragnehmer und dem Auftraggeber grundsätzlich prekär. Einmal weil das Objekt, die Entdeckung, in der Vorphase der Entdeckung und der Phase des Entdeckens nicht definitiv festgelegt werden kann, denn dann wäre es keine Entdeckung. Zum anderen wird die Entdeckungspraxis wird durch den individuellen Sinn, die der Entdecker ihr gibt und das Ziel, das er erreichen will, gesteuert, nicht durch von anderen festgelegte Ziele oder abzuliefernde Produkte. Man kann mit ihnen keine Werkverträge abschließen,
wie es z.B. August der Starke mit Böttcher versucht hat, der für ihn Gold herstellen sollte. Der Auftraggeber muss sich darauf einstellen, dass Entdeckungen nicht durch Zielvereinbarungen erreicht werden können. Das hat John Jacob Astor gewusst, der Nicola Tesla nach missglückten Versuchen, Energie verlustfrei an jeden Punkt der Erde zu übertragen, immer wieder Geld gegeben hat.Entdecker prämieren generell oder phasenweise einen der drei Praxistypen des Entdeckens: Unbekanntes entdecken, Neues erfinden und Neues gründen oder begründen. Die durchgehende Prämierung des Erfindens führt zu einer Erfinderidentität und -praxis. Die durchgehende Prämierung des Entdeckens von Unbekanntem im Kosmos zu einer Identität und Praxis als Theoretiker und Wissenschaftler oder als Erkunder unbekannter Teile der Welt wie Kolumbus. Gründen kann nicht an erster Stelle stehen, zuvor muss ihre Entdeckungspraxis ein Ergebnis erbracht haben, das eine Gründung rechtfertigt.
Wissenschaftlern reicht manchmal, dass Ihre Idee schlüssig, nachprüfbar und anwendbar ist. So entwickelte der Mathematiker Gauß seine Formeln und veröffentlichte sie. Erfinder prämieren das Produkt, sie wollen ein Ding erfinden, das in der Praxis für einen bestimmten Zweck tauglich ist. Gesetzmäßigkeiten, grundlegend Axiome interessieren sie eh nicht.
Die meisten Entdecker sind nicht nur Denker, sondern auch Handelnde, Macher, Erfinder von Dingen. Häufig korrespondiert in der Praxis des Entdeckens die Erforschung grundlegender wissenschaftlicher Probleme mit der Erfindung von Dingen, an denen die Prinzipien praktisch getestet und überprüft werden. Das ist ein Beispiel für situative, dem Entdeckungsprozess angepasste Prämierung von Praxistypen.
Ein Beispiel dafür ist Philipp Reis, den die physikalische Frage interessierte, ob man Töne, also Sprache und Musik auf elektrischem Wege über große Entfernungen übertragen kann. Um seine Hypothesen zu überprüfen, baute er einen Apparat und probierte ihn aus, den Vorläufer unserer alten Telefonapparate. Die Idee wird nicht nur theoretisch erforscht und beschrieben, sondern auch in der Praxis angewandt, überprüft, verbessert, bis sie funktioniert. Der schon erwähnte Gauß, der sich nur für Mathematik interessierte, musste rein aus finanzieller Not die von ihm entdeckten mathematischen Formeln nutzen, um als Landvermesser seinen Lebensunterhalt zu verdienen, er erfand aber kein neuen Geräte dafür und grämte sich darüber, dass er nicht weiter mathematische Probleme lösen konnte.Entdecker sind, gemessen an ihren eigenen Maßstäben und andere akzeptieren sie nicht, erfolgreich, wenn sich der individuelle Sinn ihrer Entdeckungspraxis erfüllt hat.
Wenn es Künstlern z.B. gelungen ist mit ihrem Bild das auszudrücken, was sie ausdrücken wollten. Kolumbus wollte den Seeweg nach Indien mittels neuer Grundannahmen (man kommt auch nach Indien, wenn man nach Westen segelt) und neuer Navigationsverfahren und -techniken entdecken. Er entdeckte Amerika, genauer die Westindies, was die Gesellschaft für die eigentliche Entdeckung hielt, nicht aber er selbst. Böttcher wollte mit alchemistischen Verfahren Gold machen und erfand dabei das Porzellan für Europa neu, suchte aber immer weiter danach, wie man aus anderen Metallen Gold machen kann.Für die Durchsetzung ihrer Idee in einer Professional Community, oder eines Produkts auf dem Markt brauchen sie häufig Unterstützer, die andere Talente, Kompetenzen und Persönlichkeitseigenschaften haben als sie selbst. Häufig sind Entdecker keine guten Geschäftsleute und auch keine guten Marketingexperten. Nur manche von ihnen sind auch Gründer und schaffen es Firmen begründen, die die Produkte des Entdeckens vermarkten.
Ist die Entdeckung in der Welt, so entfaltet sie unabhängig von den Intentionen des Entdeckers und seinem Wollen Wirkungen auf die Menschen und die Natur, wir unterscheiden vier Möglichkeiten. Diese Wirkungen können darin bestehen, dass die Entdeckung, ganz anders als vom Entdecker gewollt, genutzt wird, zum Beispiel für kriegerische statt für friedliche Zwecke.
Zweitens passiert es häufig, dass der Sinn, den der Entdecker verfolgt hat, nicht akzeptiert wird und der Entdeckung ein ganz anderer Sinn zugeschrieben wird (Beispiel Guttenberg: Ihm ging es um die schönste Schrift, der Gesellschaft um den Buchdruck als ein neues Kommunikationsmedium).
Drittens ist es möglich, dass die Entdeckung als sinn – und nutzlos bewertet wird und damit in Vergessenheit gerät. Möglicherweise kommt sie zu früh, stößt auf Widerstand und wird viele Jahre später erst akzeptiert und eingeführt.
Viertens kann die Entdeckung in der Natur Wirkungen entfalten, die vom Entdecker und vielleicht auch nicht von der Gesellschaft vorhergesehen und auch nicht gewollt sind, beispielweise die Nutzung der Kernspaltung mit verheerenden Folgen für die Menschheit und die Natur insgesamt.
Für die Karriere des Entdeckers sind die Folgen, die die Verbreitung der Entdeckung hat und die Wirkungen, die sie auslöst, also unabsehbar und risikoreich.
Maximen für eine erfolgreiche Entdeckerkarriere
Die Funktion der folgenden Maximen soll es sein, potentiellen Entdeckern zu zeigen, "was normal ist", wenn man sich für das Entdecken entscheidet und was die eigene Karriere von anderen unterscheidet. Förderern oder Vorgesetzten von Entdeckern sollen sie helfen, das Denken und Handeln von Entdeckern zu verstehen und ihre eigenen Maßstäbe, wie man Karriere macht, zu suspendieren. Letzteres gilt auch für Berater und Personalentwickler.
Diese Maximen habe ich abgeleitet aus den Merkmalen von Entdeckerkarrieren. Mehr dazu findet man im gleichnamigen Menüpunkt unter Erfolge, Scheitern und Förderung von Entdeckern
Entscheide Dich im „falschen Leben“ zu bleiben oder zu entdecken!
Verfolge Deine Ideen, glaube an sie!
Nimm die Mission ernst, die Du spürst!
Vertraue Deinen Talenten und Deinen anderen Triebkräften, sie liefern die notwendige Energie!
Sei bereit alles Deiner Entdeckung unterzuordnen: Deine Person, Deine Bedürfnisse, Deine Gesundheit, Deinen Wohlstand und auch die Bedürfnisse der anderen!
Lebe bescheiden, sei bedürfnislos. Lass Dich nur von dem Bedürfnis zu entdecken leiten!
Suche das Abenteuer, das Unbekannte und das Glück zu denken, zu erkennen und zu erfinden und auf dem Weg zu einer Entdeckung zu sein!
Verfolge keine traditionellen Ausbildungswege, sie engen Dich ein. Schaff Dir Dein eigenes Curriculum!
Entdecken ist Verwandeln durch Revolutionieren
Traue keinen Gesetzen, Grundannahmen, Modellen Gewissheiten und üblichen Vorgehensweisen!
Entdecken ist Revolutionieren, nicht Bewahren oder Verbessern. Es geht darum Neues zu erfinden, das Alte zu ersetzen und zu innoviern. Dieses Denken und Handeln ruft notwendigerweise Widerstand hervor. Gibt es Widerstand, dann bist Du meist auf dem richtigen Weg!
„Träumer“, “Schwärmer“ (Marie Curie) und Außenseiter machen Entdeckungen, oder weniger sanfte Wesen wie Rebellen !
Du kannst Dich nicht an Normalität orientieren, an welcher auch immer. Nicht an den Vorstellungen, die die eigene Familie, die sozialen Gemeinschaft, die Profession, die wissenschaftliche Disziplin, die Organisationen und Institutionen, mit denen Du interagierst, haben. Du stellst für sie eine Abweichung dar!
Verlass Dich nicht auf Organisationen, die Bewahren und Optimieren von Bestehendem prämieren! Verwende nicht Deine gesamte Energie, um Dir dort einen Platz zu suchen!
Suche nicht nach Anerkennung Deiner Arbeit von diesen Institutionen, sie kränken eher als souverän genug zu sein und sich nicht bedroht zu fühlen. Ehrungen werden „Revolutionären“ meist verweigert!
Statt Zugehörigkeit zu suchen, bleib lieber einsam oder such Dir einige wenige “Getreue“!
Lass Dir keine Aufträge von anderen geben, was Du entdecken sollst! Gib sie Dir selbst!
Schaffe Deine finanzielle Basis auf verschiedenen Wegen!
Übernimm keine Aufträge mit Werksvertragscharakter (darin sind die Ziele vorgegeben), höchstens als Mittel zum Zweck, die eigene Entdeckungsarbeit zu finanzieren. So wie freie Künstler Auftragsarbeiten machen um ihre freie Kunst zu finanzieren!
Arbeitest Du in einer Organisation, dann suche nach Menschen, die souverän genug sind, Dir eine Position oder ein Stipendium zu verschaffen und Dich machen lassen!
Oder suche Dir einen Job zum Geld verdienen, der Dir genug Zeit zum Entdecken lässt, so wie Einstein als Büroangestellter an seiner Quantentheorie arbeiten konnte.
Oder suche Dir Mäzene, die Deine Entdeckung finanzieren können! Das kann die eigene Familie sein, die Dir Geld aus ihrem Vermögen oder Dein Erbteil zur Verfügung stellt. Oder es können reiche Menschen sein, die von Deiner Idee überzeugt sind, so wie J.P. Morgan bei Nicola Tesla oder heutzutage vielleicht auch Stiftungen sein!
Oder gründe ein Unternehmen und suche Dir Leute, die eine Erfindung, die Du schon im Entdeckungsprozess gemacht hast, in die Produktion bringen und verkaufen können!
Maximen für die Entdeckungspraxis
Wenn Du ein Problem nicht lösen kannst, überschreite die Grenzen Deiner wissenschaftlichen Disziplin bzw. Deiner Profession und suche dort nach Erklärungen und Lösungswegen!
Wenn Du in Deiner Entdeckungspraxis zu scheitern drohst, Irrtümer auftauchen, mach weiter. Hinterfrage Deine Annahmen, diese kritischen Stellen sind oft der Anfang der Entdeckung!
Halte Phasen der Unsicherheit, des ‚Schwimmens‘ aus, wenn Du spüren kannst, dass irgendetwas noch Zeit zum Reifen braucht!
Einfälle und Theorien dürfen und müssen auf den ersten Blick „verrückt sein“, “sonst gibt es keine Hoffnung“, sagt Niels Bohr oder „sie sind nicht wichtig“, sagt Medawar.
Erfolgreich oder gescheitert?
Gehe davon aus, dass die Gesellschaft, deine Professional Community, die Organisationen und Institutionen Deiner Entdeckung einen anderen Sinn geben als Du selbst! (Individueller versus sozialer oder kultureller Sinn der Entdeckung)
Gescheitert bist Du nur, wenn Du den Sinn, den Du ihr gibst, nicht erreichst!
Riskiere, dass Deine Entdeckung in Deinem Verständnis missbraucht wird! Ist sie in der Welt, hast Du nicht mehr in der Hand, wozu sie verwendet wird!
Verwendete Literatur
Schein, Edgar: Karriereanker – die verborgenen Muster in ihrer beruflichen Entwicklung, Lanzenberger, Looss und Stadelmann, Darmstadt 1992; engl. University Associates San Diego 1992
Schein, Edgar H., van Maanen, John und Schein, Peter A.: Career Anchors Reimagined. Wiley New Jersey 2023
Rappe-Giesecke: Triadische Karriereberatung - Begleitung von Professionals, Führungskräften und Selbständigen, EHP Verlag Köln 2006