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Karrieren und Karriereanker
- tar_06, id297, letzte Änderung: 2025-02-27 08:42:47
Karriereverläufe jenseits von Laufbahn und Beruf?
In diesem Projekt geht es um die Karrieren von Entdeckern. Es kann kein allgemeingültiges Modell von Karriere geben, das für alle Gruppen berufstätiger Menschen Geltung hat. Ein Anlass, mich mit den Karrieren von Entdeckern zu beschäftigen war, dass die bislang vorhandenen Modelle den Karriereweg dieser Gruppe von Menschen nicht erfassen können. Die drei vorhanden Triadischen Modelle, die sich in der Praxis bewährt haben, erklären Karrieren aus dem Miteinander- Gegeneinander- und Nebeneinander von drei Dimensionen oder Faktoren.
Das erste dieser drei Karrieretriaden ist: Die Karriere von Berufstätigen, die in Organisationen arbeiten und angestellt sind. Organisation ist der Oberbegriff für Institutionen, Unternehmen, Verwaltungen, sozialen Einrichtungen etc. Ihre Karrieren entstehen aus dem Zusammenwirken von Laufbahn, der Abfolge von Positionen oder Funktionen, die sie im Laufe ihres Lebens in Organisationen eingenommen haben, also dem was man allgemein unter Karriere versteht; zweitens dem professionellen Werdegang, also dem Erwerb von fachlicher Expertise und dem Praktizieren als Professional und drittens der Lebensgeschichte, der Biografie, dem Lebensweg und seiner psychischen Verarbeitung. Während die Karrieretriade eine dynamische Triade ist, die die Zeit erfasst, sind die drei Faktoren der ihr zugrunde liegenden strukturellen Triade der in Organisationen Angestellten: Funktion, Profession und Person.
Hier die von mir entwickelte Triade der Karriere von in Organisationen arbeitenden PersonenDie zwei weiteren von mir entwickelten Karrieretriaden für die Gruppe der Unternehmerinnen und der Selbstständigen weisen andere Faktoren auf.
Die Karriere von Unternehmerinnen ist das Produkt des Zusammen-, Gegeneinander- und Nebeneinanderwirkens der Entwicklung der Unternehmerpersönlichkeit, der Entwicklung des Unternehmens und der Entwicklung des Produkts oder der Dienstleistung.Die Karriere von Selbstständigen ist das Produkt des Zusammen-, Gegeneinander- und Nebeneinanderwirkens der Entwicklung der Persönlichkeit des Selbstständigen, der Entwicklung der Dienstleistung bzw. des Angebots und der Entwicklung der Organisationsformen selbstständiger Tätigkeit.
Mehr zu den drei Karrieretriaden finden Sie auf der Website "Wandeltriade" in Wandel von Personen
Keine dieser drei Triaden ist geeignet, die Spezifik der Karrieren von Entdeckern zu erfassen, genau so wenig wie die von Künstlerkarrieren. Nimmt man die Faktoren der ersten Karrieretriade, Laufbahn professioneller Werdegang und Lebensweg, so findet man die die folgenden Abweichungen in den Karrieren von Entdeckern.
Es gibt keine Laufbahn, keine Karrierepfade für Entdecker in bestehenden OrganisationenUnd es gibt keine "Entdeckerorganisationen" mit Karrierepfaden und Laufbahnen. Sie schaffen sich ihre eigenen Organisationen und Praxissysteme, ihre Position darin und ihren Weg von einem zum anderen, man könnte auch sagen, sie schaffen sich ihre eigene Laufbahn.
Deshalb gibt es auch keine sozial festgelegten Kriterien für die Bewertung einer Entdeckerkarriere wie beispielsweise für die Karrieren von Menschen in Organisationen. Hat die Person zum Zeitpunkt X die Position eines Sachbearbeiters inne, zum Zeitpunkt Y die Position Teamleitung oder Abteilungsleitung, so hat sie, legt man dem Bewertungsmaßstab des Aufstiegs in der von den Organisationen vorgegebenen Laufbahn, dem Karrierepfad, an, Karriere gemacht.Es gibt keinen vorgegebenen professionellen Werdegang für EntdeckerEs gibt keine Institutionen, die Entdecker ausbilden. Sie schaffen sich einen eigenen fachlichen Werdegang. Sie entwickeln ihr eigenes Ausbildungscurriculum und ihre eigene Arbeitsmethodik. Sie sind nicht auf eine Disziplin oder eine Profession festgelegt, sie schaffen Querverbindungen zwischen wissenschaftlichen Disziplinen, zwischen verschiedenen Formen der professionellen Praxis.
Einen erfolgreichen professionellen Werdegangs in einem etablierten Beruf schafft derjenige, der die Stationen Lehrling, Geselle, Meister oder gar Ausbilder von Meistern erfolgreich passiert hat; oder in einer akademischen Ausbildung den Bachelor für ein Fachgebiet, den Master, vielleicht noch die Promotion oder gar die Habilitation erfolgreich abschließt.Es gibt keine Normalbiographien von EntdeckernDie Entdeckung bestimmt das, was man als Privatleben bezeichnen würden. Die Person, die Persönlichkeit wird auf die Entdeckung hin ausgerichtet, man könnte in manchen Fällen auch sagen zugerichtet, das gesamte Leben wird dem Primat des Entdeckens untergeordnet. Glück, Gesundheit, Zugehörigkeit zählt für sie nicht oder kaum, Ehen und andere feste Bindungen glücken eher selten.
Die beiden Triaden der Karriere von Unternehmern und von Selbstständigen scheinen auf den ersten Blick eine größere Übereinstimmung mit der Karriere von Entdeckern aufzuweisen, aber auch davon weichen die Entdeckerkarrieren ab.
Entdeckern geht es nicht darum, eine Dienstleistung zu produzieren, die Abnehmer findet, oder ein Produkt zu schaffen, mit dem sich Gewinne erwirtschaften lassen.Auch geht es ihnen nicht darum, ein Unternehmen oder eine Praxis aufzubauen, die sich erfolgreich am Markt behaupten kann. Ein Unternehmen zu gründen ist für sie nur ein Mittel zum Zweck, nämlich dem Zweck, an der Entdeckung arbeiten oder sie verbreiten zu können. Der Aufbau von organisationalen Strukturen hat nur dienenden Charakter für ihre individuelle Praxis des Entdeckens und sie scheuen sich, ihre Energie in deren Aufbau und Erhalt zu stecken, wenn es auf Kosten des Entdeckens geht. Ebenso wenig geht es ihnen darum, Erfindungen oder Entdeckungen auf den Markt zu bringen, um damit Geld zu verdienen, höchstes um damit die weitere Entdeckungspraxis und ihr Auskommen zu finanzieren.
Kann man ein wissenschaftliches Modell entwickeln, wenn die untersuchte Personengruppe, die Entdecker, keine Normalbiographien aufweisen, keine Laufbahnen, keine Ausbildungswege, weil sie Wandel durch disruptive Prozesse, also vernichten, erfinden und ersetzen prämieren und dadurch als Abweichung von anderen untersuchten Gruppen erscheinen?Entdecken ist kein Beruf, sondern ihre Art zu lebenIm Vergleich zur Gruppe der in Organisationen arbeitenden Menschen, zu Selbstständigen und zu Unternehmern ist das Entdecken für sie ein existenzielles Bedürfnis, eine Lebensnotwendigkeit. Darin sind sie der Gruppe der freien Künstler, deren Karrieren ich ebenfalls untersucht habe, ähnlicher als den drei oben genannten.
Ihre Arbeit ist aufs engste mit ihrer Persönlichkeit verknüpft, man kann sie nicht als sozialen Typus, sondern nur als Personen modellieren, was ein Problem für meine Forschung ist.
In der Beratung von Entdeckern ist dies kein Problem, denn dort emergieren sie als Individuen, als Persönlichkeiten in ihrer Einzigartigkeit.An diesem Punkt entziehen sie sich meinem üblichen wissenschaftlichen Vorgehen, ich kann kein Triadisches Modell der Entdeckerkarriere bauen wie in den anderen drei Forschungsprojekten.
In der Sprache der Supervisoren sagt man, es spiegelt sich im Hier und Jetzt – meiner Forschungspraxis – der Unwille von guten Entdeckern, sich in Strukturen, die sie nicht selbst geschaffen haben, einzupassen oder sich einer sozialen Gruppe zuzuordnen, sich als sozialer Typus aufzufassen.Zum Spiegelungsphänomen
Mit diesem – im Übrigen überall entstehenden, meist aber nicht bemerkten – Spiegelungsphänomenen kann man so umgehen, dass man sie erstens erkennt, zweitens benennt und drittens für die Lösung anstehender Probleme nutzt. In der von Michel Giesecke und mir entwickelten "Kommunikativen Sozialforschung" nutzen wir diese auch in der Forschungspraxis emergierenden Phänomene systematisch. "Selbstwahrnehmung und –beschreibung des Forschungssystems" ist die vierte Phase des idealen Forschungsablaufs. Wir haben damals, wie Entdecker das tun, jenseits des eigenen Bereichs in der Supervision, die wir untersuchten und die ich gerade parallel zu meiner Tätigkeit im Forschungsprojekt erlernte, nach einer Lösung für dieses Problem gesucht.
Zur Kontrolle der eigenen Interpretationen und zur Verbreiterung der Datenbasis haben wir eine weitere Phase in den Forschungsprozess eingefügt, die "Datenrückkopplung an das untersuchte System (Hypothesentest, Triangulation)",die fünfte Phase des idealen Forschungsablauf.Wenn Sie mehr zu Spiegelungsphänomenen in der Forschung und Beratung lesen wollen:
Artikel und Links zu ihrer Bedeutung in der Wissenschaft:
Was kann man aus dem gegenwärtigen Entwicklungsstand der Beratung für die Gestaltung kommunikativer Sozialforschung lernen? Gemeinsam mit Michael Giesecke:
Journal für Psychologie, Heft 3, 1998, S. 59-72
Was kann man aus der Beratung für die Forschung lernenZur Integration von Selbsterfahrung und distanzierter Betrachtung in der Wissenschaft
Gemeinsam mit Michael Giesecke
In: Wie kommt die Wissenschaft zu Wissen? Band 1: Einführung in das wissenschaftliche Arbeiten. Hrsg.: Theo Hug. Innsbruck. Buch, CD-Rom und Internetversion 2001
Selbsterfahrung und distanzierte Betrachtung in der WissenschaftHier der Hinweis auf unser Buch zur Kommunikativen Sozialforschung 1997
Kommunikative Sozialforschung KRG
Kommunikative Sozialforschung MGKurze Einführung in die Bedeutung von Spiegelungsphänomene in der Supervisions- und Beratungspraxis
Spiegelungsphänomene
Wenn ein Fehler im Vorgehen auftritt, so ist die Maxime, die Root-Bernstein bei der Untersuchung von Entdeckerkarrieren herausgearbeitet hat, genau an dieser Stelle weiterzumachen, aber mit anderen Methoden und Annahmen. Seine Studie wird hier im Menüpunkt " Programme und Phasen des Entdeckens " vorgestellt.
Entdeckerkarrieren weichen von den anderen drei Karrieretypen dadurch ab, dass sie in extremem Maße von der Persönlichkeit des Entdeckers abhängig sindEntdecker müssen all das selber schaffen, was anderen durch die Nutzung vorhandener und vorgegebener professioneller Werdegänge und Laufbahnen und auch vorherrschenden persönlichen Lebensentwürfen abgenommen wird. Nimmt man die Triade des Berufstätigen mit den drei Faktoren Person Profession und Funktion, so kann man sagen, dass eine extreme Prämierung der Person festzustellen ist. Dem entspricht die Prämierung individueller gegenüber sozialer und kultureller Praxis.
Das Individuum wird prämiert, auf ihm lastet neben der Arbeit an der Entdeckung sehr viel mehr, verglichen mit den Karrieren von Angestellten, Selbstständigen und UnternehmernEntdecker müssen in starkem Maße auf sich vertrauen und immer wieder prüfen, ob Ihre persönlichen Ressourcen ausreichen, um ihren eigenen fachlichen Werdegang zu schaffen, Positionen innerhalb oder außerhalb von Institutionen und Organisationen zu finden oder selbst zu schaffen, die ihnen das Entdecken ermöglichen und drittens sich persönliche Lebensbedingungen zu schaffen, die es möglich machen, ihre Mission und Lebensaufgabe zu erfüllen. Um Erfolg zu haben, brauchen Sie ein hohes Maß an Selbstreflexion, um ihre Karriere zu steuern oder sich zu entscheiden, sie gegebenenfalls auch zu beenden.
Die radikale Abkehr der Entdecker von traditionellen Pfaden spiegelt sich in meinem weiteren Vorgehen. Die Entwicklung der Entdeckerpersönlichkeit und ihrer Biographie kann man untersuchen, aber es gibt kein Triadisches Modell der Entdeckerkarriere, jedenfalls zu diesem Zeitpunkt der Analyse nicht.Was meint Entwicklung?
Etwas als Entwicklung zu bezeichnen, setzt einen Bewertungsmaßstab voraus. Biografien und Lebensläufe lassen sich als Chronologie, das heißt Abfolge von Ereignissen in der Zeit beschreiben. Veränderungen diagnostiziert man, wenn man einen Faktor aussucht, zwei Zeitpunkte auf der Timeline der Chronologie aussucht und Unterschiede in der Ausprägung dieses Faktors feststellt, z.B. eine Veränderung von Gesundheit (von mehr zu weniger oder umgekehrt), eine Veränderung von mehr zu weniger Ideen oder Erkenntnissen etc. Bewertet man diese Veränderung mithilfe eines Maßstabes, dann kann man positive oder negative Entwicklungen feststellen. Da verschiedene Menschen unterschiedlicher Bewertungsmaßstäbe haben, fällt die Bewertung, ob eine Veränderung eine Entwicklung darstellt, unterschiedlich aus. So können die Einschätzungen des Entdeckers selbst und die anderer relevanter Personen von Veränderungen in seiner Biographie weit auseinander liegen.Mehr zu unserem Modell von Lebensgeschichte als Ereignis-, Erlebnis- und Veränderungsgeschichte auf meiner Webseite
WandeltriadeDas Kriterium und der Bewertungsmaßstab von Ereignissen ihrer Karriere sind für Entdecker: Dient diese Veränderung der Entdeckung?Bringt mich diese Veränderung dem Ziel meiner Entdeckung Praxis näher? Ein Entdecker übernimmt keine Bewertungsmaßstäbe von Organisationen oder Professionen und auch nicht von ihm nahestehenden Menschen.
So war für Reinhold Messners Mount Everest Expedition der Bewertungsmaßstab: Schaffe ich es, den einzig möglichen Weg auf die Spitze des Mount Everest zu finden, für Kolumbus den Seeweg nach Indien zu entdecken, für Stefan Hell die Beugungsgrenze zu knacken, für Böttcher Gold zu machen und für Guttenberg die schönste und immer gleichbleibende Schrift zu entwickeln.
Was tritt an die Stelle des Modells der Entdeckerkarriere?
Aus der Analyse von Autobiografien, Biographien und Interviews entstandene Forschungsergebnisse:
Die Merkmale von Entdeckerkarrieren im nächsten Abschnitt
Und im Menüpunkt Erfolg und Scheitern:
Der Sinn der Entdeckung für den Entdecker
Sinn der Entdeckung
Die Kriterien für den Erfolg, die die Entdecker selbst haben
Kriterien für den Erfolg
Die Maximen für die Steuerung ihrer Karriere, die für die Entdecker handlungsleitend sind, ihnen aber nicht immer bewusst sind.
Maximen
und der neu entdeckte Entdeckeranker, lesen Sie weiter!tar_06, id121, letzte Änderung: 2025-02-12 10:21:53Der Karriereanker von Entdeckern
Die vergleichende empirische Analyse der Autobiographien von und der Interviews mit Entdeckern hat sechzehn Merkmale von Entdeckerkarrieren ergeben. Diese Merkmale kennzeichnen den Idealtypus, sie müssen nicht in jedem Einzelfall zu finden sein.
Der Nutzen für Entdecker
Entdecker können die Liste nutzen, um die eigene Karriere zu reflektieren und die Triebkräfte und leitenden Werte zu analysieren und zu verstehen. Karriereberater und Coaches, die mit Entdeckern arbeiten, hilft sie die Besonderheiten von Entdeckerkarrieren zu verstehen und dieses Wissen in Beratung zum Nutzen des Klienten anwenden zu können. Berater sind meiner Erfahrung nach genauso wie Manager keine Entdecker.Der Nutzen für die Beratung von Entdeckern
In der Karriereberatung arbeite ich mit dem Konzept und dem Tool der "Karriereanker", die Edgar Schein entdeckt und erfunden hat.
Schein definiert Karriereanker „als ‚das' Element im Selbstkonzept, das jemand keinesfalls aufzugeben gewillt ist."(Schein 1994). Karriereanker versteht er als eine Mischung aus Werten, Motiven und Fähigkeiten. Das Modell der Karriereanker ist bestens geeignet, Klienten dabei zu helfen ihre eigenen Werte zu erkennen, die handlungsleitend und orientierungsrelevant, ihnen in der Regel aber nicht bewusst sind. Andere Aspekte des Ankers wie Fähigkeiten werden im Konzept der Triadischen Karriereberatung®, das ich entwickelt habe, mithilfe anderer Tools erhoben. Sie lernen einen weiteren Karriereanker kennen, der Sie bei der Beratung von Entdeckern unterstützt!Innovation im Verständnis von Karriereankern
Im Rahmen meiner Habilitation habe ich eine umfassende Analyse der acht von ihm benannten Anker und seines Konzepts durchgeführt und vorgestellt. Ein Ergebnis meiner empirischen Forschung war, dass es noch einen oder zwei weitere Anker gibt, die Edgar Schein aufgrund seines Samples - er hat Manager untersucht - nicht hat finden können, ein Künstleranker und ein Entdeckeranker. Dieses Ergebnis war der Anlass, ein Projekt zur Erforschung und Beschreibung des Entdeckerankers zu beginnen. Das Resultat ist diese Website, die weit mehr enthält als die Beschreibung eines neuen Karriereankers, deshalb heißt die Website auch nicht Entdeckeranker, sondern Entdeckerkarrieren. Es hat sich herausgestellt, dass es sich um einen einzigen Anker handelt, der verschiedene Ausprägungen hat, je nach Objekt der Entdeckung: Kunstwerke zu schaffen, neue wissenschaftliche Erkenntnisse zu generieren oder Unentdecktes in unserem Kosmos zu entdecken und neue Erfindungen zu machen.Ein weiteres Ergebnis der Beschäftigung mit Entdeckern ist die Erkenntnis, dass es sich bei den sogn. Karriereankern um Triebkräfte handelt, um die energetische Dimension der Entdeckerkarriere.
Anker sind nicht nur, wie Edgar Schein meint, ein Konglomerat aus Motiven, Fähigkeiten und Werten der Person, er prämiert von den Generaldimensionen der Persönlichkeit: Lebensgeschichte, Triebkräfte und Komplexer Organismus den letzteren.
Anker haben aber eben auch eine energetische Komponente, er prämiert er die strukturelle Dimension der Persönlichkeit, wie das für Psychologen üblich ist. Energetisch meint die Lebensenergie, bei Freud als Libido, in anderen Kulturen als Chi oder Prana bezeichnet.
Mehr zu Triebkräften finden sich im Menüpunkt „Die Persönlichkeit von Entdeckern“ im Unterpunkt „Triebkräfte"
TriebkräfteMehr zu den Karriereankern, ihrer Beforschung und ihrer Anwendung in der Praxis der Triadischen Karriereberatung® finden Sie auf meiner anderen Website im Menüpunkt "Triadische Karriereberatung" in "Forschungsergebnisse zu karrieresteuernden Werten"
Karriereanker
und in meinem Buch Triadische KarriereberatungFür die Beratung von Entdeckern ist die Arbeit mit Karriereankern unabdingbar. Die Kenntnis der eigenen Anker hilft ihnen, die Antriebe für ihr Erleben und Verhalten zu verstehen, die sich nach m.E. in frühem Alter entwickeln - wie auch die Ideen für Entdeckungen - und sich nicht verändern oder verändern lassen. Karriereanker sind die Triebkräfte und die Werte, die unsere beruflichen und auch privaten Entscheidungen ein Leben lang steuern. Man kann auf die Dauer nicht gegen die eigenen Werte und Triebkräfte handeln, sie wollen immer wieder 'bedient' und 'befolgt' werden, sonst werden die Menschen unzufrieden und unglücklich.
Da man im meinem Konzept immer mit Wertetriaden, also der Kombination von drei Karriereankern arbeitet, und nicht mit einem einzelnen Anker, wie Schein das tut, ist der Entdeckeranker für Entdecker zwar der wichtigste, aber nur einer von dreien. Er tritt in Kombination mit "Selbständigkeit und Unabhängigkeit", mit "Totaler Herausforderung", "Dienst und Hingabe an eine Idee oder Sache" oder "Technisch Funktionaler oder anders formuliert Fachlicher Kompetenz" auf. In den Fallanalysen im letzten Menüpunkt werden Sie Beispiele für solche Ankerkombinationen finden. Die Beschreibung der genannten Karriereanker finden Sie mithilfe des Links auf meiner anderen Website.
KarriereankerMerkmale von Entdeckerkarrieren und des Entdeckerankers
Der Antrieb zu entdecken ist früh da, wirkmächtig und mit viel Energie ausgestattet. Angeregt und angezogen durch eigene Talente oder durch Dinge oder Ereignisse in ihrer Umwelt entsteht in Ihnen eine Faszination, die die Energie liefert, eine ausgeprägte eigene Vorstellungswelt zu entwickeln, in der Ideen für etwas, was es zu entdecken gilt und was der Sinn dieser Entdeckung ist, entstehen kann.
Sie zeichnen sich schon in der Schulzeit oder im Studium durch einen großen Arbeitseifer aus, für ihre Umwelt teilweise besorgniserregend ist und bearbeiten ein Pensum, was weit über dem üblichen liegt. Sie schaffen sich ihr eigenes Curriculum, unabhängig von dem der Schule oder des Studiums, und sie haben große Freude am Lernen.
Darüber hinaus ist bei ihnen ein ausgeprägtes Talent vorhanden, das ihnen die Arbeit leicht macht. Kommen sie aus familiären Verhältnissen, in denen dieses Talent nicht relevant ist oder nicht erkannt wird, braucht es Menschen, die es erkennen und fördern.Entdeckungen zu machen ist das Karriereziel von Entdeckern. Sie streben keine vorgebende Karriere an und folgen den Karrierepfaden in Institutionen oder Organisationen nicht. Sie erschaffen sich ihre eigenen Karriere, ihren eigenen "Karrierepfad".
Sie nehmen kaum oder sogar keine Rücksicht auf ihre Familie, Freunde und sich selbst, alles wird dem Entdecken untergeordnet und muss dahinter zurücktreten. Die Vereinbarkeit von Privatleben und Entdecken gelingt, wenn das private Umfeld die fundamentale Bedeutung des Entdeckens für den Entdecker versteht, akzeptiert und ihn unterstützt.
Entdecker wollen und müssen im Einklang mit dem sein, was sie entdecken wollen. Sie erleben oft einen Flow, wenn sie mit ihrer Entdeckung beschäftigt sind, sie sind beglückt und voll Energie, wenn sie an der Entdeckung arbeiten.
Entdecker können keine Aufträge von anderen annehmen und ausführen, sie können nur ihren eigenen Ideen und Vorstellungen folgen und sich auf einen ergebnisoffenen Prozess des Entdeckens einlassen.
Die Idee stellt Grundannahmen des Fachs (oder mehrerer Fächer), der wissenschaftlichen Disziplin, der Profession radikal infrage.
Die Grenzen von Fächern/Disziplinen/Professionen werden nicht akzeptiert, sondern überschritten, die Erkenntnisse der einen mit denen der anderen verbunden, zu etwas Neuem synthetisiert, in das eigene Modell eingeordnet und immer weiter optimiert. Entdecker suchen Ihre Anregungen in Konzeptionen, Theorien, Praktiken anderer Fächern, Disziplinen, Profession und bei deren Vertretern; Wissenschaftler z.B. arbeiten interdisziplinär und transdisziplinär.
Bestehende Institutionen und Organisationen, die auf Bewahren setzen und sich Entdeckungen und Innovationen gegenüber ablehnend verhalten, fördern diese Menschen nicht. Sie unterstützten eher mittelmäßige und an Karriere in diesen Institutionen oder Berufsfeld orientierte Menschen. Sie grenzen Entdecker aus, weil die ihre Regeln nicht achten, nicht befolgen können und wollen, weil sie radikale Innovationen anstreben, die die bestehenden Grundannahmen, Axiome und Praktiken infrage stellen (vgl. Punkte 3., 6., 7., 8.).
Umgekehrt lehnen die Entdecker diese auf Bewahrung ausgerichteten Institutionen und Organisationen ab, weil sie sie an der Erreichung ihres Karriereziels hindern (3., 6., 7.). Organisationale Strukturen und Prozesse zu bedienen oder sich führen zu lassen, hält sie von der Arbeit an ihrer Entdeckung ab. Die Schaffung von Rahmenbedingungen für die Arbeit an der Entdeckung ist wichtiger als klassischen Karrierepfaden zu folgen und die damit verbundenen Belohnungen wie Status, Geld, Macht und Zugehörigkeit zu Organisationen zu bekommen.
Entdecker suchen oft lange oder immer wieder nach einer geeigneten Funktion/Position in oder am Rande von Organisationen.
Wenn sie Glück haben, finden sie Positionen mit einer Aufgabe, die nah an ihrer Entdeckung liegt, oder Positionen, die ihnen Zeiten, Räume und Ressourcen dafür bereitstellt und sie in Ruhe arbeiten lässt. Oder sie finden Menschen in etablierten Organisationen, die das Talent und die Bedeutung der Idee erkennen und den Mut haben das Risiko einzugehen, solchen 'Orchideen' eine Chance zu geben und dies offensiv in der Organisation zu vertreten.
Max Planck z.B. gab dem völlig unbekannten Albert Einstein eine solche Chance, er sorgte für eine Veröffentlichung der Theorie und dafür, dass er einen Lehrstuhl bekam. Oft sind die fördernden Organisationen fachfremde oder nicht im eigenen Land zu finden, bei Stefan Hell z.B. eine Hochschule in Finnland, bei Rolf Stiefel eine Hochschule in Kanada.
Aus diesem Grunde machen sich Entdecker oft selbstständig, Hell z.B. als „freier Erfinder“, Nicola Tesla als Unternehmer, oder schaffen eigene Medien zur Veröffentlichung und Verbreitung ihrer Ideen, z.B. Alexander von Humboldt mit dem dreibändigen "Kosmos", Rolf Stiefel mit der "Zeitschrift für Managementandragogik", Michael Giesecke mit seinen zahlreichen Webseiten.Entdecker haben zeitweise oder beständig Probleme, ihre finanzielle Basis herzustellen und zu sichern. Manchmal finden sie 'Mäzene', die sie fördern, wie im 10. Punkt beschrieben. Häufig ist die eigene Familie, die sich nicht wie die etablierten Institutionen von Innovationen bedroht fühlt, der Mäzen. Im besten Fall liegt ihr das Glück des Entdeckers am Herzen und sie ermöglicht es ihm seiner Berufung zu folgen. Humboldt setzte sein beträchtliches Erbe ein, um seine Reisen, seine Entdeckungen und deren Veröffentlichung zu finanzieren.
Oder Entdecker machen wenig geliebte Auftragsarbeiten, um damit Freiräume und Ressourcen für Ihre Entdeckung zu finanzieren, z.B. machen Künstler zur Not ungeliebte Auftragskunst, um Zeit und Geld für freie Kunst zu haben. Manche Entdecker nehmen Kredite auf oder schränken sich ein und opfern alles der Entdeckung, oder aber sie finden Menschen in etablierten Organisationen, die ihnen eine Chance zu geben.Finden Entdecker Auftraggeber für ihre Entdeckung, so ist und bleibt die Beziehung zwischen dem Entdecker als Auftragnehmer und dem Auftraggeber grundsätzlich prekär. Das Objekt, die Entdeckung, kann in der Vorphase der Entdeckung und der Phase des Entdeckens nicht definitiv festgelegt werden, denn dann wäre es keine Entdeckung. Die Entdeckungspraxis wird durch den individuellen Sinn, die der Entdecker ihr gibt und das Ziel, was er erreichen will, gesteuert, nicht durch von anderen festgelegte Ziele oder abzuliefernde Produkte. Man kann keinen Werkvertrag abschließen, wie es z.B. August der Starke mit Böttcher versucht hat, der für ihn Gold herstellen sollte. Der Auftraggeber muss sich darauf einstellen, dass Entdeckungen nicht durch Zielvereinbarungen erreicht werden können. Das hat John Jacob Astor gewusst, der Nicola Tesla nach missglückten Versuchen, Energie verlustfrei an jeden Punkt der Erde zu übertragen, immer wieder Geld gegeben hat.
Entdecker prämieren generell oder situativ einen der drei Praxistypen des Entdeckens: Unbekanntes entdecken, Neues erfinden und Neues Gründen oder Begründen. Die generelle Prämierung des Erfindens führt zu einer Erfinderidentität und -praxis. Eine generelle Prämierung des Entdeckens von Unbekanntem im Kosmos zu einer Identität und Praxis als Theoretiker und Wissenschaftler oder als Erkunder unbekannter Teile der Welt wie Kolumbus.
Wissenschaftlern reicht, dass Ihre Idee schlüssig, nachprüfbar und anwendbar ist. So entwickelte der Mathematiker Gauß seine Formeln und veröffentlichte sie. Erfinder prämieren das Produkt, sie wollen ein Ding erfinden, das in der Praxis für einen bestimmten Zweck tauglich ist. Gesetzmäßigkeiten, grundlegend Axiome interessieren sie ehe nicht.
Viele Entdecker sind nicht nur Denker, sondern auch Handelnde, Macher, Erfinder von Dingen. Häufig korrespondiert in der Praxis des Entdeckens die Erforschung grundlegender wissenschaftlicher Probleme mit der Erfindung von Dingen, an denen die Prinzipien praktisch getestet und überprüft werden. Das ist ein Beispiel für situative, dem Entdeckungsprozess angepasste Prämierung von Praxistypen
Ein Beispiel dafür ist Philipp Reis, den die physikalische Frage interessierte, ob man Töne, also Sprache und Musik auf elektrischem Wege über große Entfernungen übertragen kann. Um seine Hypothesen zu überprüfen, baute er einen Apparat und probierte ihn aus, den Vorläufer unserer alten Telefonapparate. Die Idee wird nicht nur theoretisch erforscht und beschrieben, sondern auch in der Praxis angewandt, überprüft, verbessert, bis sie funktioniert. Der schon erwähnte Gauß, der sich nur für Mathematik interessierte, musste rein aus finanzieller Not die von ihm entdeckten mathematischen Formeln nutzen, um als Landvermesser seinen Lebensunterhalt zu verdienen, er erfand aber kein neuen Geräte dafür und grämte sich darüber, dass er nicht weiter mathematische Probleme lösen konnte.Entdecker sind, gemessen an ihren eigenen Maßstäben erfolgreich, wenn der sich individuelle Sinn ihrer Entdeckungspraxis erfüllt hat. Wenn es Künstlern z.B. gelungen ist mit ihrem Bild das auszudrücken, was sie ausdrücken wollten. Kolumbus wollte den Seeweg nach Indien mittels neuer Grundannahmen (man kommt auch nach Indien, wenn man nach Westen segelt) und neuer Navigationsverfahren und -techniken entdecken. Er entdeckte Amerika, genauer die Westindies, was die Gesellschaft für die eigentliche Entdeckung hielt, nicht aber er selbst. Böttcher wollte mit alchemistischen Verfahren Gold machen und erfand dabei das Porzellan für Europa neu, suchte aber immer weiter danach, wie man aus anderen Metallen Gold machen kann.
Für die Durchsetzung ihrer Idee in einer Professional Community, oder eines Produkts auf dem Markt brauchen sie häufig Unterstützer, die andere Talente, Kompetenzen und Persönlichkeitseigenschaften haben als sie selbst. Häufig sind Entdecker keine guten Geschäftsleute und auch keine guten Marketingexperten. Nur manche von ihnen sind auch Gründer und schaffen es Firmen begründen, die die Produkte des Entdeckens vermarkten.
Ist die Entdeckung in der Welt, so entfaltet sie unabhängig von den Intentionen des Entdeckers und seinem Wollen Wirkungen auf die Menschen und die Natur, wir unterscheiden vier Möglichkeiten. Diese Wirkungen können darin bestehen, dass die Entdeckung, ganz anders als vom Entdecker gewollt, genutzt wird, zum Beispiel für kriegerische statt für friedliche Zwecke.
Zweitens passiert es häufig, dass der Sinn, den der Entdecker verfolgt hat, nicht akzeptiert wird und der Entdeckung ein ganz anderer Sinn zugeschrieben wird (Beispiel Guttenberg: Ihm ging es um die schönste Schrift, der Gesellschaft um den Buchdruck als ein neues Kommunikationsmedium).
Drittens ist es möglich, dass die Entdeckung als sinn – und nutzlos bewertet wird und damit in Vergessenheit gerät. Möglicherweise kommt sie zu früh, stößt auf Widerstand und wird viele Jahre später erst akzeptiert und eingeführt.
Viertens kann die Entdeckung in der Natur Wirkungen entfalten, die vom Entdecker und vielleicht auch nicht von der Gesellschaft vorhergesehen und auch nicht gewollt sind, beispielweise die Nutzung der Kernspaltung mit verheerenden Folgen für die Menschheit und die Natur insgesamt.
Für die Karriere des Entdeckers sind die Folgen, die die Verbreitung der Entdeckung hat und die Wirkungen, die sie auslöst, also unabsehbar und risikoreich.
tar_06, id230, letzte Änderung: 2025-01-31 18:12:14Entdeckeranker bei bildenden Künstlern
Dieser Anker ist ein Typus des Entdeckerankers. Die Fallstudie zu Picassos ist abgeschlossen. Wenn Sie Interesse haben, schauen Sie sich doch die Studie zu Picassos Künstlerkarriere an.
Der nächste Schritt ist, deren Ergebnisse mit den Ergebnissen der Analyse anderer Künstlerinterviews vergleichen, um das Typische dieses Ankers herauszufinden. Hier dazu erste Abschnitt :Künstler ist kein Beruf, sondern eine Lebensform
Befasst man sich mit dem Wandel von Karrieren heute, stellt man fest, dass es kaum noch gesellschaftlich vorgegebene Karrierewege und Normalbiografien gibt. So schreibt Martin Kohli, ein Soziologe mit dem Schwerpunkt Biographieforschung schon Anfang der 90er Jahre über die damals noch in der Gesellschaft vorherrschenden Modelle von Erwerbsbiographien und deren Phasen:
„Die angeführten Befunde (seiner Analyse, KRG) sprechen für eine zumindest partielle Auflösung der bisher institutionalisierten Verlaufsmuster des Lebens, mit der Folge der Biographisierung der Lebensführung, d.h. einer Situation, die nach eigenständiger biographischer Orientierung verlangt.“ (Kohli 1994, S.232).Die Erwerbsarbeit und die um sie herum entstandenen wohlfahrtstaatlichen Steuerungssysteme prägten bisher die Struktur des modernen Lebenslaufs (vgl. ebenda, S. 219). Es entstand eine Dreiteilung in die Phase der Ausbildung, die durch das Bildungssystem geprägt wird, in die Hauptphase der Erwerbsarbeit, die durch die Unternehmen strukturiert wird, und in die Phase des Ruhestandes, die vom Rentensystem geprägt wird. Die mittlere Phase wird zunehmend kürzer aufgrund immer längerer Übergangsphasen, einmal zwischen Ausbildung und Erwerbstätigkeit (Arbeitslosigkeit, Praktika, Jobsuche) und zweitens zwischen Erwerbstätigkeit und Rente (Frühverrentungen). Kohli konstatiert, dass sich die institutionalisierten Verlaufsmuster der Erwerbsbiographie, die ‚arbeitsgesellschaftliche Normalbiographie’ mit diesen drei Phasen, immer stärker auflöst, er spricht hier von De-Institutionalisierung, was die Individuen zur Biographisierung des Lebenslaufs zwingt.
„Der historische Prozess der Institutionalisierung des Lebenslaufs umfasst im Wesentlichen drei Aspekte, die zu einer widersprüchlichen Einheit zusammengefasst sind: erstens Kontinuität im Sinn einer verlässlichen, auch materiell gesicherten Lebensspanne; zweitens Sequenzialität im Sinn eines geordneten (auch chronologisch festgelegten) Ablaufs der wesentlichen Lebensereignisse; und drittens Biographizität im Sinn eines Codes von personaler Entwicklung und Emergenz.“ (220).
Die Individuen sind gefordert Kontinuität, Sinnhaftigkeit der Ereignisse und der Abläufe wie auch die darin liegende die Sequenz- und Entfaltungslogik der Biographie selbst konstruieren zu müssen. Eine Last, die zuvor die Gesellschaft durch Institutionalisierung von Erwerbsbiographien den Individuen abgenommen hat. Auch innerhalb der mittleren Phase der Erwerbstätigkeit stellt er immer mehr Brüche und Übergänge fest. Die Erwartung von Loyalität und guter Leistung der Arbeitnehmer gegen Beschäftigungssicherheit und Entlohnung, die ‚moralische Ökonomie’ der Betriebe, die auf Reziprozität setzt, erodiert zunehmend. Dies wird auch unter dem Stichwort der Aufkündigung des ‚old career contract’ diskutiert.
Kohli weist darauf hin, dass nicht alle lernen müssen mit diesem Wandel umzugehen.
Intellektuelle und Künstler unterliegen seit jeher den „Zwang zur Individualität, d.h. der Verpflichtung auf eine radikal subjektive Lebensführung.“ Kohli 233Ich würde ergänzen, dass man viele, die zur Gruppe der Selbstständigen gehören, auch dazu zählen kann.
Der Bezug auf das Selbst ist sei kein Hedonismus, sondern „eine Form der Suche nach dem letzten Grund für die Orientierung in der Welt“ nach einem wie er sagt “transzendentalen Haltepunkt“.(233-34) Während für die anderen Gruppen diese Suche eine kontinuierliche und nicht endende bleibt, da institutionalisierte Karrierewege und Normalbiografien erodiert sind, haben Künstler m.E. diesen „letzten Grund und Haltepunkt“ recht früh gefunden und halten in der Regel ihr Leben lang daran fest. Sie wollen und müssen Kunst machen, sie wollen Künstler sein. Damit haben Sie im Vergleich zu den vielen anderen eine Gewissheit, die ihrem Leben Kontinuität und Sinn - allerdings keine Sequenzialiät, also einen geregelten Ablauf aufeinanderfolgender Phasen - gibt.Für Menschen, die nicht den Künstleranker haben, ist es schwer zu verstehen, wieso Kunst zu machen eine existenzielle Notwendigkeit, ein Lebenszweck, „ihr Leben“ ist und sie sich nicht vorstellen können, etwas anderes zu machen. Wieso, wenn sie keine Kunst machen können, ihr Leben „voller Langeweile, Trockenheit und Bitternis“, ohne Lust und Glück und Freude ist, sie sich fühlen, als sei ihnen „eine Lebensader abgeschnitten“.
Künstler ist kein Beruf, den man wählen und wieder abwählen kann, sondern eine Lebens- und Existenzform, die ihrem Leben Sinn und Orientierung gibt und ihre mentale und körperliche Gesundheit erhält.Ich selbst habe beim Lesen der Biografien und der Interviews zunächst nicht wirklich verstehen können, wieso Künstler auf die Frage was sie antreibt antworten, dass das keine rationale Entscheidung war, sondern dass sie sich für die Kunst entscheiden mussten und die Kunst eine existenzielle Bedeutung für sie hat. Auch meine Empörung über Picassos Satz zu seiner Frau: „Ich verschwende meine (Energie, KRG) auf eine einzige Sache: meine Malerei. Alles andere wird ihr geopfert – du und jeder andere – einschließlich meiner selbst“ (F. Gilot 1980 S. 294). Nun haben Künstler unterschiedliche Persönlichkeiten, und neben dem Künstleranker unterschiedliche Karriereanker, zum Beispiel Lebensstilintegration, und sind nicht so radikal wie der oft völlig unsensibel agierende Picasso. Einen Künstleranker zu haben ist immer ein Problem für die privaten und sozialen Beziehungen der Künstler, denn dieser Karriereanker ist wie alle anderen tyrannisch.
Wenn auch die Künstler durch ihre Entscheidung Kunst zu machen die Sinnfrage ein für alle Mal beantwortet haben, so haben sie doch im Vergleich zu anderen, die durch die gesellschaftlichen Veränderungen mit dieser Aufgabe neu betraut sind, in ihrer Zunft Modelle und Vorbilder, wie man so ein Leben gestalten kann.Die ihnen zeigen, wie man den „Zwang zu Individualität“ und „die Verpflichtung auf eine radikal subjektive Lebensführung“ (Kohli), die ihnen die gewünschte und für die Produktion von Kunst auch erforderliche Freiheit und Selbstbestimmung geben, aber einem Individuum sehr viel zumutet und auferlegt, wovon sie sonst soziale Normen befreit hätten, produktiv für das künstlerische Schaffen und der eigenen Persönlichkeit und den sozialen Beziehungen zuträglich gestalten kann.
Mit dieser Ablehnung klassischer Karrierepfade und normaler Erwerbsbiografien haben sie strukturell ähnliche Probleme wie Menschen mit einem Entdeckeranker, die sich nicht in Organisationen bewegen mögen oder können und von ihnen natürlich auch abgelehnt werden. Für freie Künstler zeigt sich dieses Problems selbst darin wie sie mit Auftragsarbeiten umgehen, hier ein Zitat aus einem Interview : „Das Eigentliche der Kunst ist das freie Arbeiten, die Selbstbestimmtheit". Schon die Suche nach Mäzenen, nach Institutionen, die sie finanziell unterstützen können, ist für sie schwierig, weil sie sich damit abhängig machen. In den Interviews wird Marketing für die eigenen Kunstwerke als notwendige, meist aber unbeliebte Tätigkeit, für die sie sich zum einen aufgrund ihrer Persönlichkeit weniger eignen, zum anderen, weil sie das professionelle Know-how dafür meist nicht besitzen.
Merkmale des Entdeckerankers bei Künstlern
work in progress
tar_06, id279, letzte Änderung: 2025-03-27 07:26:43