Die Entdeckerkarriere - Das Modell und die Merkmale



Die Merkmale von Entdeckerkarrieren - Der Entdeckeranker

Die vergleichende empirische Analyse der Autobiographien von und der Interviews mit Entdeckern hat sechzehn Merkmale von Entdeckerkarrieren ergeben. Diese Merkmale kennzeichnen den Idealtypus, sie müssen nicht in jedem Einzelfall zu finden sein.

Der Nutzen für Entdecker
Entdecker können die Liste nutzen, um die eigene Karriere zu reflektieren und die Triebkräfte und leitenden Werte zu analysieren und zu verstehen. Karriereberater und Coaches, die mit Entdeckern arbeiten, hilft sie die Besonderheiten von Entdeckerkarrieren zu verstehen und dieses Wissen in Beratung zum Nutzen des Klienten anwenden zu können. Berater sind meiner Erfahrung nach genauso wie Manager keine Entdecker.

Der Nutzen für die Beratung von Entdeckern
In der Karriereberatung arbeite ich mit dem Konzept und dem Tool der "Karriereanker", die Edgar Schein entdeckt und erfunden hat.
Schein definiert Karriereanker „als ‚das' Element im Selbstkonzept, das jemand keinesfalls aufzugeben gewillt ist."(Schein 1994). Karriereanker versteht er als eine Mischung aus Werten, Motiven und Fähigkeiten. Das Modell der Karriereanker ist bestens geeignet, Klienten dabei zu helfen ihre eigenen Werte zu erkennen, die handlungsleitend und orientierungsrelevant, ihnen in der Regel aber nicht bewusst sind. Andere Aspekte des Ankers wie Fähigkeiten werden im Konzept der Triadischen Karriereberatung®, das ich entwickelt habe, mithilfe anderer Tools erhoben.

Im Rahmen meiner Habilitation habe ich eine umfassende Analyse der acht von ihm benannten Anker und seines Konzepts durchgeführt und vorgestellt. Ein Ergebnis meiner empirischen Forschung war, dass es noch zwei weitere Anker gibt, die Edgar Schein aufgrund seines Samples - er hat Manager untersucht - nicht hat finden können, das sind der Künstleranker und der hier beschriebene Entdeckeranker. Dieses Ergebnis war der Anlass, ein Projekt zur Erforschung und Beschreibung des Entdeckerankers zu beginnen. Das Resultat ist diese Website, die weit mehr enthält als die Beschreibung eines neuen Karriereankers, deshalb heißt die Website auch nicht Entdeckeranker, sondern Entdeckerkarrieren.

Die Innovation im Verständnis von Karriereankern
Ein weiteres Ergebnis der Beschäftigung mit Entdeckern ist die Erkenntnis, dass es sich bei den sogn. Karriereankern um Triebkräfte handelt, um die energetische Dimension.
Anker sind nicht nur, wie Edgar Schein meint, ein Konglomerat aus Motiven, Fähigkeiten und Werten der Person, er prämiert von den Generaldimensionen der Persönlichkeit: Lebensgeschichte, Triebkräfte und Komplexer Organismus den letzteren.
Anker haben aber eben auch eine energetische Komponente, er prämiert er die strukturelle Dimension der Persönlichkeit, wie das für Psychologen üblich ist. Energetisch meint die Lebensenergie, bei Freud als Libido, in anderen Kulturen als Chi oder Prana bezeichnet.
Mehr zu Triebkräften finden sich im Menüpunkt „Die Persönlichkeit von Entdeckern“ im Unterpunkt „Triebkräfe
Triebkräfte

Mehr zu den Karriereankern, ihrer Beforschung und ihrer Anwendung in der Praxis der Triadischen Karriereberatung® finden Sie auf meiner anderen Website im Menüpunkt "Triadische Karriereberatung" in "Forschungsergebnisse zu karrieresteuernden Werten"
Karriereanker
und in meinem Buch Triadische Karriereberatung

Für die Beratung von Entdeckern ist die Arbeit mit Karriereankern unabdingbar. Die Kenntnis der eigenen Anker hilft ihnen, die Antriebe für ihr Erleben und Verhalten zu verstehen, die sich nach m.E. in frühem Alter entwickeln - wie auch die Ideen für Entdeckungen - und sich nicht verändern oder verändern lassen. Karriereanker sind die Triebkräfte und die Werte, die unsere beruflichen und auch privaten Entscheidungen ein Leben lang steuern. Man kann auf die Dauer nicht gegen die eigenen Werte und Triebkräfte handeln, sie wollen immer wieder 'bedient' und 'befolgt' werden, sonst werden die Menschen unzufrieden und unglücklich.

  • Anker mit Männchen 1.
  • Anker mit Männchen 2

Da man im meinem Konzept immer mit Wertetriaden, also der Kombination von drei Karriereankern arbeitet, und nicht mit einem einzelnen Anker, wie Schein das tut, ist der Entdeckeranker für Entdecker zwar der wichtigste, aber nur einer von dreien. Er tritt in Kombination mit "Selbständigkeit und Unabhängigkeit", mit "Totaler Herausforderung", "Dienst und Hingabe an eine Idee oder Sache" oder "Technisch Funktionaler oder anders formuliert Fachlicher Kompetenz" auf. In den Fallanalysen im letzten Menüpunkt werden Sie Beispiele für solche Ankerkombinationen finden. Die Beschreibung der genannten Karriereanker finden Sie mithilfe des Links auf meiner anderen Website.
Karriereanker

Merkmale von Entdeckerkarrieren und des Entdeckerankers

  1. Die Idee kommt früh, ist mächtig und hat eine große Triebkraft. Angeregt und angezogen durch Dinge oder Ereignisse in ihrer Umwelt entsteht in Ihnen eine Faszination, die die Energie liefert, eine ausgeprägte eigene Vorstellungswelt zu entwickeln, in der Ideen für etwas, was es zu entdecken gilt und was der Sinn dieser Entdeckung ist, entstehen kann. Sie sind häufig auch in der Lage Ihrer Entdeckerlust ein konkretes Ziel zu geben.

  2. Sie zeichnen sich schon in der Schulzeit oder im Studium durch einen großen Arbeitseifer aus, für ihre Umwelt teilweise besorgniserregend ist und bearbeiten ein Pensum, was weit über dem üblichen liegt. Sie schaffen sich ihr eigenes Curriculum, unabhängig von dem der Schule oder des Studiums, und sie haben große Freude am Lernen.
    Darüber hinaus ist bei ihnen ein ausgeprägtes Talent vorhanden, das ihnen die Arbeit leicht macht. Kommen sie aus familiären Verhältnissen, in denen dieses Talent nicht relevant ist oder nicht erkannt wird, braucht es Menschen, die es erkennen und fördern.

  3. Die Entwicklung und praktische Umsetzung der eigenen Idee ist das Karriereziel von Entdeckern und Erfindern. Sie streben keine vorgebende Karriere an und folgen den Karrierepfaden in Institutionen oder Organisationen nicht.

  4. Sie nehmen kaum Rücksicht auf ihre Familie, Freunde und sich selbst, all dies muss hinter das Entdecken zurücktreten. Die Vereinbarkeit von Privatleben und Entdecken gelingt, wenn das private Umfeld die fundamentale Bedeutung des Entdeckens für den Entdecker versteht, akzeptiert und ihn unterstützt.

  5. Entdecker wollen und müssen im Einklang mit dem sein, was sie entdecken wollen. Sie erleben oft einen Flow, wenn sie mit ihrer Entdeckung beschäftigt sind, sie sind beglückt und voll Energie, wenn sie an der Entdeckung arbeiten.

  6. Entdecker können keine Aufträge von anderen annehmen und ausführen, sie können nur ihren eigenen Ideen und Vorstellungen folgen und sich auf einen ergebnisoffenen Prozess des Entdeckens einlassen.

  7. Die Idee stellt Grundannahmen des Fachs (oder mehrerer Fächer), der wissenschaftlichen Disziplin, der Profession radikal infrage.

  8. Die Grenzen von Fächern/Disziplinen/Professionen werden nicht akzeptiert, sondern überschritten, die Erkenntnisse der einen mit denen der anderen verbunden, zu etwas Neuem synthetisiert, in das eigene Modell eingeordnet und immer weiter optimiert. Entdecker suchen Ihre Anregungen in Konzeptionen, Theorien, Praktiken anderer Fächern, Disziplinen, Profession und bei deren Vertretern. Sie arbeiten interdisziplinär und transdisziplinär.

  9. Bestehende Institutionen und Organisationen, die auf Bewahren setzen und sich Entdeckungen und Innovationen gegenüber ablehnend verhalten, fördern diese Menschen nicht. Sie unterstützten eher mittelmäßige und an Karriere in diesen Institutionen orientierte Menschen. Sie grenzen Entdecker aus, weil sie ihre Regeln nicht achten, nicht befolgen können und wollen und weil sie radikale Innovationen anstreben, die die bestehenden Grundannahmen und Axiome infrage stellen (vgl. Punkte 3., 6., 7., 8.).

  10. Umgekehrt lehnen die Entdecker diese auf Bewahrung ausgerichteten Institutionen und Organisationen ab, weil sie sie an der Erreichung ihres Karriereziels hindern (3., 6., 7.). Organisationale Strukturen und Prozesse zu bedienen oder sich führen zu lassen, hält sie von der Arbeit an ihrer Entdeckung ab. Die Schaffung von Rahmenbedingungen für die Arbeit an der Entdeckung ist wichtiger, als klassischen Karrierepfaden zu folgen und die damit verbundenen Belohnungen wie Status, Geld, Macht und Zugehörigkeit zu Organisationen zu bekommen.
    Entdecker suchen oft lange und immer wieder nach einer geeigneten Funktion/Position in oder am Rande von Organisationen.
    Wenn sie Glück haben, finden sie solche, die ihnen eine Arbeitsaufgabe geben, die nah an ihrer Entdeckung liegt, oder solche, die ihnen Zeiten, Räume und Ressourcen dafür bereitstellt und sie in Ruhe arbeiten lassen. Oder sie finden Menschen in etablierten Organisationen, die das Talent und die Bedeutung der Idee erkennen und den Mut haben das Risiko einzugehen, solchen Orchideen eine Chance zu geben und das offensiv zu vertreten.


    Max Planck z.B. gab dem völlig unbekannten Albert Einstein eine solche Chance, er sorgte für eine Veröffentlichung der Theorie und dafür, dass er einen Lehrstuhl bekam.Oft sind die fördernden Organisationen fachfremde oder nicht im eigenen Land zu finden, bei Hell z.B. eine Hochschule in Finnland, bei Stiefel eine Hochschule in Kanada.
    Aus diesem Grunde machen sich Entdecker oft selbstständig, Hell z.B. als „freier Erfinder“, Tesla als Unternehmer, und schaffen eigene Medien zur Veröffentlichung und Verbreitung ihrer Ideen, z.B. Humboldt mit dem dreibändigen Kosmos, Stiefel mit der Zeitschrift für Managementandragogik, Giesecke mit seinen zahlreichen Webseiten.

  11. Entdecker haben zeitweise oder beständig Probleme, ihre finanzielle Basis herzustellen und zu sichern. Sie finden 'Mäzene', die sie fördern, wie im 10. Punkt beschrieben. Häufig ist die eigene Familie, die sich nicht wie die etablierten Institutionen von Innovationen bedroht fühlt, der Mäzen. Im besten Fall liegt ihr das Glück des Entdeckers am Herzen und sie ermöglicht es ihm seiner Berufung zu folgen. Humboldt setzte sein beträchtliches Erbe ein, um seine Reisen, seine Entdeckungen und deren Veröffentlichung zu finanzieren.
    Oder Entdecker machen wenig geliebte Auftragsarbeiten, um damit Freiräume und Ressourcen für Ihre Entdeckung zu finanzieren – analog zu Künstlern, die eher ungeliebte Auftragskunst machen, um Zeit und Geld für freie Kunst zu haben. Manche Entdecker nehmen Kredite auf oder schränken sich ein und opfern alles der Entdeckung. Oder aber sie finden Menschen in etablierten Organisationen, die ihnen eine Chance zu geben.

  12. Finden Entdecker Auftraggeber für ihre Entdeckung, so ist und bleibt die Beziehung zwischen dem Entdecker als Auftragnehmer und dem Auftraggeber grundsätzlich prekär. Das Objekt, die Entdeckung, kann in der Vorphase der Entdeckung und der Phase des Entdeckens nicht definitiv festgelegt werden, denn dann wäre es keine Entdeckung. Die Entdeckungspraxis wird durch den individuellen Sinn, die der Entdecker ihr gibt und das Ziel, was er erreichen will, gesteuert, nicht durch von anderen festgelegte Ziele oder abzuliefernde Produkte. Man kann keinen Werkvertrag abschließen, wie es z.B. August der Starke mit Böttcher versucht hat, der für ihn Gold herstellen sollte. Der Auftraggeber muss sich darauf einstellen, dass Entdeckungen nicht durch Zielvereinbarungen erreicht werden können. Das hat John Jacob Astor gewusst, der Nicola Tesla nach missglückten Versuchen, Energie verlustfrei an jeden Punkt der Erde zu übertragen, immer wieder Geld gegeben hat.

  13. Es gibt Entdecker, es gibt Erfinder und es gibt solche, auf die beides zutrifft. Reinen Entdeckern reicht, dass Ihre Idee schlüssig, nachprüfbar und anwendbar ist. So entwickelte der Mathematiker Gauß seine Formeln und veröffentlichte sie. Reine Erfinder prämieren das Produkt, sie wollen ein Ding erfinden, das in der Praxis für einen bestimmten Zweck tauglich ist. Gesetzmäßigkeiten, grundlegend Axiome interessieren sie ehe nicht.
    Viele Entdecker sind nicht nur Denker, sondern auch Handelnde, Macher, Erfinder von Dingen. Häufig korrespondiert in der Praxis des Entdeckens die Erforschung grundlegender wissenschaftlicher Probleme mit der Erfindung von Dingen, an denen die Prinzipien praktisch getestet und überprüft werden.


    Beispiel dafür ist Philipp Reis, den die physikalische Frage interessierte, ob man Töne, also Sprache und Musik auf elektrischem Wege über große Entfernungen übertragen kann, und Vorläufer unserer heutigen Telefonapparate baute.
    Die Idee wird nicht nur theoretisch erforscht und beschrieben, sondern auch in der Praxis angewandt, überprüft, verbessert, bis sie funktioniert. Ausnahmen davon bilden Disziplinen wie die Mathematik, Gauß nutzte die von ihm entdeckten mathematischen Formeln, um als Landvermesser seinen Lebensunterhalt zu verdienen, aber er erfand kein neuen Geräte dafür.

  14. Entdecker sind, gemessen an ihren eigenen Maßstäben erfolgreich, wenn sie das entdecken, was sie entdeckten wollten, wenn sie ihr selbst gesetztes Ziel erreicht haben. Kolumbus wollte den Seeweg nach Indien mittels neuer Grundannahmen (man kommt auch nach Indien, wenn man nach Westen segelt) und neuer Navigationsverfahren und -techniken entdecken. Er entdeckte Amerika, die Westindies, was die Gesellschaft für die eigentliche Entdeckung hielt, nicht aber er selbst. Böttcher wollte mit alchemistischen Verfahren Gold machen und erfand dabei das Porzellan für Europa neu, suchte aber immer weiter danach, wie man aus anderen Metallen Gold machen kann.

  15. Für die Durchsetzung ihrer Idee in einer Professional Community, oder eines Produkts auf dem Markt brauchen sie häufig Unterstützer, die andere Talente, Kompetenzen und Persönlichkeitseigenschaften haben als sie selbst. Häufig sind Entdecker keine guten Geschäftsleute und auch keine guten Marketingexperten. Nur manche von ihnen sind auch Gründer und schaffen es Firmen begründen, die die Produkte des Entdeckens vermarkten.

  16. Ist die Entdeckung in der Welt, so entfaltet sie unabhängig von den Intentionen des Entdeckers und seinem Wollen Wirkungen auf die Menschen und die Natur, wir unterscheiden vier Möglichkeiten. Diese Wirkungen können darin bestehen, dass die Entdeckung, ganz anders als vom Entdecker gewollt, genutzt wird, zum Beispiel für kriegerische statt für friedliche Zwecke.
    Zweitens passiert es häufig, dass der Sinn, den der Entdecker verfolgt hat, nicht akzeptiert wird und der Entdeckung ein ganz anderer Sinn zugeschrieben wird (Beispiel Guttenberg: Ihm ging es um die schönste Schrift, der Gesellschaft um den Buchdruck als ein neues Kommunikationsmedium).
    Drittens ist es möglich, dass die Entdeckung als sinn – und nutzlos bewertet wird und damit in Vergessenheit gerät. Möglicherweise kommt sie zu früh, stößt auf Widerstand und wird viele Jahre später erst akzeptiert und eingeführt.
    Viertens kann die Entdeckung in der Natur Wirkungen entfalten, die vom Entdecker und vielleicht auch nicht von der Gesellschaft vorhergesehen und auch nicht gewollt sind, beispielweise die Nutzung der Kernspaltung mit verheerenden Folgen für die Menschheit und die Natur insgesamt.
    Für die Karriere des Entdeckers sind die Folgen, die die Verbreitung der Entdeckung hat und die Wirkungen, die sie auslöst, also unabsehbar und risikoreich.

tar_06, id230, letzte Änderung: 2024-07-02 11:29:34

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