Das Projekt und die Website Entdeckerkarrieren



Das Projekt und die Website Entdeckerkarrieren

Gliederung

Es gibt verschiedene Arten von Entdeckungen: Fremde Länder, Erstbesteigungen von Bergen, archäologische Funde, wissenschaftliche Gesetze und Technische Geräte. Sozial- und Geisteswissenschaftler können soziale oder psychischen Phänomene und ihre Gesetzmäßigkeiten entdecken und daraus Modelle oder ganze Theoriegebäude entwickeln.

Gekennzeichnet sind diese Entdeckungen dadurch, dass die Entdecker Grundnahmen Ihrer Disziplin oder Profession radikal infrage stellen , Grenzen überschreiten, also Erkenntnisse voneinander getrennten Disziplinen oder Professionen verbinden und dass jenseits des Mainstreams ihres Faches oder ihrer Profession denken und handeln und von deren Vertretern ausgegrenzt werden. Sie haben die Idee in der Regel recht früh, interessieren sich weniger für materielle Belohnungen und institutionelle Karrieren als für das Entdecken und den mit diesem Prozess verbundenen Flow. Sie versuchen sich die Bedingungen dafür zu schaffen und nehmen Entbehrungen und Rückschläge auf sich. Sie verfolgen ihr Ziel, manchmal zäh über Jahrzehnte, um ihre Entdeckung in die Welt zu bringen.

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Entdecker prämieren in unserem Wandelmodel die Dimension der radikalen Innovation, des Revolutionierens. Dies erklärt, warum Entdecker mit Ablehnung, Widerstand und Obstruktion vonseiten ihrer Fachkollegen und der Institutionen rechnen müssen. Und es erklärt, warum sie so wenig anpassungsfähig und –bereit sind, sie können nicht anders, wenn sie entdecken wollen. Lebens- und Karrierewege von Entdeckern sind keine Normalbiographien.

Link zur Website Wandeltriade

Das Projekt Entdeckerkarrieren

Wie bin ich zu dem Thema Entdecken gekommen? Mit Entdeckern und deren Karrieren bin ich als Wissenschaftlerin, die sich seit 20 Jahren mit Karrieretheorie beschäftigt, als Beraterin, die über sehr große Erfahrung in der Karriereberatung verfügt und als Ehefrau eines Entdeckers, immer wieder konfrontiert worden. In meiner Beratungspraxis bin ich auf Menschen gestoßen, auf die die gängigen Karrieretheorien nicht passten, ebenso wenig wie die Analyseverfahren, die man nutzt, um die Persönlichkeit und die Karriere zu untersuchen, da Entdecker selten zum Sample psychologischer Forschung gehören. Auslöser für die Beschäftigung mit Karrieren von Entdeckern war auch meine Forschung zu und die Arbeit mit den Karriereankern, die Edgar Schein entwickelt hat. Da er Karrieren von Managern untersucht hat, hat er keinen“ Entdeckeranker“ finden können, weil sie keine Entdecker sind, sie haben andere Werte und Motive.

Link zum Konzept der Karriereanker

Ziel der Untersuchung:
Entwicklung einer Typologie von Entdeckern, eines Modells der typischen Karriere von Entdeckern und eines weiteren Karriereankers. Die Unterscheidung zwischen Entdeckern, Erfindern und Gründern/Begründern sowie die Beschreibung der Praxis und des Prozesses des Entdeckens.

Grundannahmen und Modelle
Ich habe über Jahre Material gesammelt, das ich jetzt mithilfe der von Michel Giesecke und mir entwickelten Modelle des Wandels, des Triadischen Denkens und der Triadischen Praxis systematisieren und beschreiben kann. Die wissenschaftlichen Grundlagen der Untersuchung werden in den beiden Menüpunkten " Der Reiz der Terra Incognita - Grundannahmen über Entdecker und Entdecken" und "Die Praxis des Entdeckens - Grundannahmen und Modelle" vorgestellt.

Datenmaterial
Das Datenmaterial der empirische Analysen besteht aus öffentlich zugänglichen und von mir selbst durchgeführten Interviews mit Entdeckern, aus Autobiografien von Entdeckern und aus Biografien, die Originalzitate enthalten, die Bewertung der Autoren berücksichtige ich nicht. Kriterien für die Auswahl von Personen waren einmal das Vorhandensein solchen Materials und dessen Eignung für die Entwicklung von Idealtypen, denn Einzelfälle können näher oder entfernter vom Idealtypus sein, bei der Auswahl kann man zunächst nur auf seine Intuition vertrauen. Für die Phase der Modellentwicklung sind wie beim Mastermodelling Entdecker, die nah am Ideal liegen, nötig. Ist klar welche Typen von Entdeckern es gibt und welches deren Merkmale sind, kann man leicht weitere untersuchen. Ihnen werden sicher noch viele Entdecker oder Entdeckerinnen einfallen, die in den Fallanalysen oder in den Beispielen nicht auftauchen.

Für wen ist dieses Projekt interessant?

Diese Website wendet sich an Entdecker selbst, an Berater, die mit Entdeckern arbeiten, an Führungskräfte, die Entdecker führen und an Institutionen, die Forschungsförderung betreiben und Entdecker unterstützen wollen.

Nutzen für Entdecker: Der Nutzen für Entdecker besteht darin, dass sie ihre Berufsbiografie, ihre Leistungen und ihre Probleme besser einschätzen können. Sie bekommen einen anderen Bewertungsmaßstab zur Verfügung gestellt, der ihnen ermöglicht, die Ereignisse in ihrem Leben und Arbeiten anders zu beurteilen als zuvor. Was ist konstitutiv für eine Entdeckerkarriere, was kann man lediglich gestalten, aber nicht verändern und was sind Aspekte, die man beeinflussen kann, indem man durch Selbstreflexion zu einem anderen Handeln kommt. Neben dem Verstehen der eigenen Persönlichkeit und der Dynamik von Entdeckungen liefert dieses Modell Erklärungen dafür, wie sich relevante Umwelten verhalten und wie deren Handeln einzuschätzen ist. Das Modell bietet also Entlastungen für die Person an: Wenn ich Entdecker bin, habe ich mit Folgendem zu rechnen und das ist ganz normal und erwartbar.

Nutzen für Berater: Die Kenntnis des Modells hilft einzuschätzen, ob es sich bei Personen, die in die Beratung kommen und über ihre Schwierigkeiten berichten, um Entdecker handelt oder nicht. Weiterhin gibt es dem Berater Orientierung darüber, was typische und konstitutive Probleme einer Entdeckerbiografie und einer Entdeckerpersönlichkeit sind. Es hilft zu differenzieren zwischen Anteilen an geschilderten Problemen, die anderen Besonderheiten der Persönlichkeit, oder Gegebenheiten der Organisationen, in denen Entdecker arbeiten, oder aber den gesellschaftlichen kulturellen Rahmenbedingungen zuzuschreiben sind. Da die meisten Berater keine Entdecker sind, hilft es ihnen, diese Klienten zu verstehen, ein gutes Arbeitsbündnis aufzubauen und ungewöhnliches Verhalten der Klienten einzuordnen.

Nutzen für Führungskräfte: Entdecker erleben organisationale Rahmenbedingungen und Notwendigkeiten als Einengung und Einschränkung. Sie sind wenig in der Lage, sich den Gepflogenheiten und kommunikativen Formen, die in Organisationen vorherrschen, zu unterwerfen. Dieses Verhalten ist ihrem Karriereziel, ausschließlich für Ihre Entdeckung zu arbeiten und sie in die Welt zu bringen, geschuldet, sie streben keine Karriere in Organisationen an. Das Verstehen ihres Ziels und ihres Antriebs ist für die Kooperation förderlich, wirkt deeskalierend und ist hilfreich, wenn man Entdecker und ihre Entdeckung fördern will.

Nutzen für Institutionen, die Forschungsförderung betreiben: Institutionen, die Promotionsförderung betreiben, Stipendien für die Postdocphase vergeben, Hochschullehrer, die Promotionskollegs betreiben und Personalentwickler an Hochschulen bekommen Kriterien an die Hand, um zu beurteilen, ob es sich bei den jungen Forschern um solche handelt, die Entdeckungen machen könnten und mit ihren Innovationen die Disziplin revolutionieren könnten oder um solche, die gute Wissenschaftler werden, die den State oft the Art bewahren, verbessern und lehren.
Wenn Hochschulen immer mehr Personalentwicklung einführen, wäre es zu wünschen, dass man frühzeitig, wie es in der Führungskräfteentwicklung Standard ist, die Eignung für unterschiedliche Karrierepfade prüft und Rahmenbedingungen für unterschiedliche Karrieretypen schafft. Bekommen Entdecker keine geeignete Förderung, dann verlassen sie die Organisationen, wie im empirischen Material anhand der zahlreichen Fälle nachzuweisen ist.

tar_01, id108, letzte Änderung: 2023-05-24 11:42:26

© 2023 Prof. Dr. phil. habil. Kornelia Rappe-Giesecke